Menschenwürde

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Begriffsklärung

Der Begriff der Würde beschreibt einen Wert, unabhängig von Alter, Geschlecht, Religions- oder Staatszugehörigkeit, der jedem Menschen zugestanden wird und der nicht verletzt werden darf. So steht beispielsweise im 1. Artikel des deutschen Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. In der Schweizer Bundesverfassung steht in Artikel 7: Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.

In aktuellen ethischen Diskussionen steht der Begriff der Würde meist an oberster oder zumindest zentraler Stelle. Gleichzeitig handelt es sich um einen schwer zu definierendem Begriff in Ethik und Philosophie mit einer jahrhundertealten, kulturell sehr unterschiedlichen, Definitionsgeschichte.

Verstöße gegen die menschliche Würde hingegen werden schnell und einheitlich benannt: So gilt beispielsweise Folter weltweit als folgenschwerer Verstoss gegen die Würde des Menschen.

Erläuterungen

Nach Kant beginnt die Würde des Menschen mit seiner Zeugung und dauert lebenslang. Kant hält die Freiheit zur Selbstbestimmung des eigenen Lebens und des freien Willens für den Wert, der den Menschen am stärksten ausmacht. Demnach wird die Würde am meisten verletzt, wenn „jemand von seinen Mitmenschen zu einem Objekt gemacht wird, über das man entsprechend den eigenen Bedürfnissen nach Belieben verfügen kann“ (Fenner 2008, 188). Und so sind alle Formen von physischer und psychischer Gewalt aus ethischer Sicht abzulehnen, denn sie schränken die Willensfreiheit, ein zentrales Element in der Definition von Würde, des betroffenen Menschen, ein. Hier stellt sich allerdings ein weiteres definitorisches Problem, denn anders als Handlungsfreiheit, die sich in Handlungen beobachten lässt, lässt sich Willensfreiheit nicht empirisch belegen. Gleichzeitig beschreiben die meisten Autor*innen die Willensfreiheit als absolut, während die Handlungsfreiheit im Zusammenleben mit anderen Menschen dadurch eingeschränkt ist, dass ihr durch die Willensfreiheit eines Gegenübers Grenzen gesetzt werden.

WillensfreiheitHandlungsfreiheit
WertAbsoluter und unverletzlicher Wert, der die Würde des Menschen ausmachtRelativer Wert in Bezug auf Ziele und Ideale, die Individuen in ihrem Leben verfolgen
PrinzipHandle so, dass du niemanden als bloßes Objekt behandelst (Willensfreiheit) und die Handlungsfreiheit des vom Handeln Betroffenen nicht grundlos und ungerechterweise einschränkst!
RechtUnverletzliches Recht auf WürdeRecht auf minimale Handlungsfreiheit in Form von Überlebenssicherung und permissivem sozialen Umfeld
NormenPhysische Gewalt, psychischer Zwang, Täuschung und Manipulation unterlassenNiemanden zur teilnahmslosen Anpassung an soziale Umwelt zwingen, minimale Grundgüter zur Existenzsicherung zur Verfügung stellen.
Quelle: Fenner 2008, S. 189

Beispiel: Der Fall Metzler

2002 Frankfurt am Main: Ein junger Mann entführt einen elfjährigen Jungen, um von dessen Eltern Lösegeld zu erpressen. Er tötet das Kind und versteckt die Leiche, wird dann aber kurz nach der Übergabe des Lösegelds verhaftet. Im Verhör informiert er die Polizei nicht darüber, dass der Junge bereits tot ist. Die Ermittler gehen deshalb davon aus, dass dieser noch lebt und sich in Lebensgefahr befindet, weil sein Entführer sich nicht mehr um ihn kümmern kann. Darauf drohen die Beamten dem Entführer, sie würden ihn durch Zufügung von Schmerzen zum Sprechen bringen. Nach dieser Drohung gibt der Entführer seine Tat zu und gibt den Aufenthaltsort der Leiche preis.

Die Staatsanwaltschaft klagt im Anschluss den Kriminalhauptkommissar wegen Nötigung im Amt, den Polizeipräsidenten wegen Verleitung eines Untergebenen zur Nötigung, an. Der Vorwurf: Ein schwerwiegender Verstoß insbesondere gegen unbedingten Schutz der Menschenwürde durch Androhen von Folter.

Der Polizeipräsident wird verurteilt mit der Begründung, dass das Vorgehen eine Verletzung des fundamentalsten Menschenrechtes überhaupt sei und diese sei durch nichts zu rechtfertigen. Es komme einem Tabubruch gleich, der nicht toleriert werden dürfe. Die beiden Beamten werden zu einer Geldstrafe verurteilt.

Links

  • Entscheidungssituationen: Retterbabies
  • Entscheidungssituationen (noch nicht veröffentlicht): Verteilung begrenzter Ressourcen (am Beispiel «Triage von intensivmedizinischen Behandlungen bei Ressourcenknappheit im Zusammenhang mit einer Epidemie»)
  • Entscheidungssituationen: Einsatz von Drohnen
  • Entscheidungssituationen: Folter

Quelle

  • Deutsches Grundgesetz: Zugriff am 31.03.2020 unter https://www.bundestag.de/grundgesetz
  • Foto: https://www.der-loewe.info/kunstausstellung-zum-thema-wuerde
  • Inhaltlich orientieren sich die Ausführungen in diesem Abschnitt an folgenden Quellen:
    • Wils, J.P. (2002). Würde. In: Düwell, M. et. al. (2002): Handbuch Ethik. Stuttgart. J.B. Metzler. 558 – 563.
    • Schaber, P. (2012): Menschenwürde. In: Moser, V. & Horster, D. (2012): Ethik in der Behindertenpädagogik. Stuttgart. Kohlhammer. 135 – 148.
    • Fenner, D. (2008): Ethik. Weinheim. UTB Beltz Verlag.