Elliott Rassismus Klassenexperiment

Ende der 60-er-Jahre arbeitete Jane Elliott als Grundschullehrerin im Staate Iowa, in einer Kleinstadt mit ausschliesslich weisser Bevölkerung. Nach der Ermordung von Martin Luther King Jr. am 4. April 1968 wollte sie einen aktiven, starken Beitrag zur Bewusstwerdung und Verminderung von rassistischem Ge-dankengut leisten. Sie führte mit mehreren ihrer Schulklassen ein zweitägiges Experiment durch. Eines davon, sie hatte damals eine dritte Grundschulklasse, wurde im Jahr 1970 verfilmt.

Zu Beginn macht die Lehrerin gegenüber ihrer Klasse klar, dass sie in den nächsten zwei Tagen die Themen «Diskriminierung» und «Rassismus» behandeln werde. Nun stellt sie die Behauptung auf, dass Menschen mit blauer Augenfarbe schlauer, sauberer, zuverlässiger – schlicht: die besseren Menschen seien als solche mit brauner Augenfarbe.

Die Kinder mit brauner Augenfarbe müssen eine Binde um den Hals anziehen, damit man auch aus Distanz erkennt, zu welcher «Sorte» von Menschen sie gehören. Die Kinder mit blauer Augenfarbe werden bevorzugt (sie dürfen länger Pause machen, Spielgeräte in der Pause benutzen, zuerst zum Mittagessen gehen, sich zweimal schöpfen), und sie werden während des Unterrichts gelobt. Den Kindern mit brauner Augenfarbe wird immer wieder an kleinen Beispielen (einzelne Schülerinnen und Schüler betreffend) gezeigt, dass sie weniger gute Lernende seien und es deshalb richtig sei, dass ihnen weniger Privilegien zugesprochen werden.

Am zweiten Tag erklärt die Lehrerin, dass sie sich geirrt hätte: Es sei nämlich erwiesen, dass Personen mit brauner Augenfarbe die besseren, gescheiteren, zuverlässigeren Menschen seien. Also müssen die Kinder mit blauen Augen die farbigen Halsbinden anziehen. Sie verlieren im Schulalltag ihre Privilegien, welche nun an die braunäugigen Kinder übergehen.

Schliesslich, am Nachmittag des zweiten Tages, löst die Lehrerin das Experiment auf. Sie erklärt, dass es ums Erleben und Lernen über Diskriminierung und Rassismus ging und dass kein Mensch weniger wert sei als ein anderer. Die Halsbinden werden in den Abfalleimer geworfen, die Klasse ist wieder eine Einheit von gleichwertigen Mitgliedern.

Die Reaktionen auf Jane Elliotts Experiment waren sehr unterschiedlich – von Lob und Verehrung bis hin zu Ablehnung und Entsetzen. Von etlichen Eltern der betroffenen Kinder wurde sie angefeindet, weil sie die (in ihrem Empfinden) impliziten Unterstellung, als Familie eine rassistische Einstellung zu haben, vehement zurückwiesen.

Die Frage stellt sich angesichts dieses Experiments: Darf man das? Darf man Kinder bewusst diskriminieren, um damit ein höheres Ziel – das Bewusstwerden von Diskriminierung, weil man diese «am eigenen Leib» erfahren – erlangen zu können? Oder sollte man grundsätzlich allen Kindern die Chance geben, einmal in ihrem Leben ein solches Experiment durchlaufen zu können?


Dieses Experiment wurde unter dem Titel «A class devided» verfilmt (17 Minuten, in englischer Sprache).

Hier finden sie eine bebilderte Zusammenfassung in deutscher Sprache.

Hier ist der Vorgehensvorschlag des Elliott-Experimentes zur Reflexion möglicher Argumente für und gegen das Zwei-Tage-Experiment. Diese Reflexion geschieht am besten in einer Gruppe.


Quellenangaben

Film «A class devided»: YouTube, Zugriff am 11.07.2020