Fürsorge

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Begriffsklärung

Grundsätzlich meint Fürsorge die Pflicht für das Wohlergehen anderer Personen zu sorgen, gleichzeitig aber auch Schmerzen und Leid im eigentlichen oder im übertragenen Sinn bei anderen Personen zu vermeiden. Fürsorge wird als «positive Pflicht» gesehen. Sie verlange nach Handlungen zu Gunsten der anderen Person. Zu dieser Pflicht gehört es, zu bestimmen, welche Handlungen das Wohl der anderen Person fördert und dabei die Sichtweise aller involvierter Personen zu berücksichtigen.

Erläuterungen

Das Prinzip der Fürsorge ist unter anderen eines der vier Prinzipien der biomedizinischen Ethik nach Beauchamp and Childress (Principles of biomedical Ethics, 1979). Die anderen drei sind: Autonomie, Gerechtigkeit und Nicht Schaden. Die vier Prinzipien sind so etwas wie die „Leitbegriffe“ des moralischen Diskurses auf mittlerer Reichweite und die Prinzipien müssen jeweils fallbezogen interpretiert werden. Sie gelten überdies prima facie, d.h. solange sie mit einem anderen Prinzip nicht in Konflikt geraten.

Fürsorge ist in der Alltagssprache ein kaum mehr verwendeter Begriff, ebenso Wohlergehen. Aber gerade in sonderpädagogischen, pädagogischen und therapeutischen Berufen fallen Entscheidungen oft unter dem Aspekt der Fürsorge, selbst wenn diese Bezeichnung nicht fällt. Und oft sind die Ansichten, was Fürsorge für ein bestimmtes Kind, für einen bestimmten Patienten ist, unterschiedlich.

Beispiel Fürsorge:

Die Physiotherapeutin rät dringend, dass das Kind die Orthesen während der ganzen Unterrichtszeit trägt, damit die angestrebte Stabilisierung gewährleistet ist.

Die Lehrperson möchte, dass das Kind die Orthesen Bewegungssituationen nicht trägt, da die Gefahr besteht, dass andere Kinder beim Spielen verletzt werden und zudem die Bewegungsfähigkeit des Kindes zusätzlich eingeschränkt ist.

Im Zusammenhang mit Fürsorge werden unterschiedliche, relevante Punkte diskutiert. So der Begriff der Zumutbarkeit. Wird das Prinzip der Fürsorge universal gesehen, müsste sich beispielsweise eine Krankenschwester rund um die Uhr und sieben Tage in der Woche um ihre Patienten kümmern; der Schüler*innen können Anforderungen stellen, die über die berufsbedingten und gesetzlich vorgegebenen Anforderungen an eine Lehrperson hinausgehen. Da Fürsorge eine sogenannt positive Pflicht ist, ist das Setzen von Grenzen viel schwieriger als bei sogenannt negativen Pflichten, die ganz klar angeben, was man nicht tun darf (Du sollst nicht töten!). Wo enden also Fürsorge Pflichten? Peter Singer hat dazu ein hilfreiches Prinzip aufgestellt: „So lange jemand nichts moralisch Gleichwertiges zur Förderung des Wohlergehens eines anderen opfern muss, stellt die Erfüllung dieser Pflicht keine Zumutung dar“ (Wallimann-Helmer und Keller, 2018, S. 84). Das bedeutet im Beispiel der Krankenschwester, dass sie keinesfalls die eigene Erholung und damit ihre Gesundheit dem Wohlergehen der Patient*innen opfern muss.

Ein zweiter Begriff, der im Zusammenhang mit Fürsorge fallen muss, ist der Begriff des Paternalismus. Auch wenn in guter Absicht gehandelt wird, sich um das Wohlergehen einer anderen Person zu kümmern, so kann dies problematisch sein. Denn eine „Person kann ganz anderer Meinung sein, was das Beste für ihr Wohlergehen ist“ (Wallimann-Helmer und Keller, 2018, S. 86). Schnell kann das Prinzip der Fürsorge in Konflikt mit dem Prinzip der Autonomie geraten. Dieser Konflikt wird als Paternalismus bezeichnet.

Beispiel Paternalismus:

Die Lehrperson entscheidet, dass die Schülerin keine Psychomotorik mehr bekommt, weil das Kind ohnehin schon viele zusätzliche Lektionen ausserhalb der Schule besucht und auch mal Zeit zum Spielen braucht. Das Kind liebt die Psychomotorik-Lektion, wird aber nicht gefragt.

Weiterführende Links

Quelle

Inhaltlich orientieren sich die Ausführungen in diesem Abschnitt an der folgenden Quelle: Wallimann-Helmer, I. ; Keller, M. (2018): Ethik für medizinische Berufe. Versus Verlag AG: Zürich